Nichts verborgen!

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Nichts verborgen!

Lesung Mt 10,26b-33
26b Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird.
27 Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern.
28 Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.
29 Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater.
30 Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt.
31 Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.
32 Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.
33 Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.
I. Die gemalte Predigt
Liebe Gemeinde
Jesus hat einmal gesagt: „Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird"
Dieses Wort könnte über dem Eingangstor der Künstlerwerkstatt Cranach in Wittenberg stehen. Denn die Cranachs, der Vater und auch der Sohn, waren die „Medienmacher" der Reformation.
Sie machten mit ihren Bildern sichtbar, was die Reformatoren predigten: allein aus Glaube, allein aus Gnade, allein durch Jesus Christus wird der Mensch gerecht, kann er vor Gott bestehen. Das sollte jeder Christenmensch, ob klein oder groß, wissen. Das sollen alle selbst in der Bibel lesen können. Das soll in den Kirchen gepredigt werden, das soll offenbar werden.
„Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird"
Wer selber in der Bibel lesen kann, kann all die falschen Prediger entlarven, die den Menschen Angst machen. Weil keiner wissen kann, was nach dem Tod kommt, kann man damit Geschäfte machen, Geschäfte mit der Angst, der Furcht.
„Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt", das war ja war die Botschaft der Ablassprediger, derer die die Leute in die Irre führten.
Doch da hatte Martin Luther anderes in der Bibel entdeckt: er hat den gnädigen Gott gefunden und die befreiende Botschaft: Es ist nicht das Geld, das im Kasten klingt, auch nicht unsere guten Werke, sondern es ist Christus allein, der uns vor Gott recht macht.
Das ist auch kein Geheimwissen, das kann jeder nachlesen. Das sollen alle wissen, das muss allen gepredigt werden:
„Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern. "
Auch Lucas Cranach, der Jüngere, hat diese Predigt von der Rechtfertigung sichtbar gemacht, ans Licht, auf die Dächer und vor allem in die Kirchen geholt. Er hat ins Bild hineingebracht, was die Reformatoren gepredigt haben: Christus allein - das soll den Glaubenden vor Augen gemalt werden. Allein aus Glaube macht Gott uns gerecht.
Allein an Christus sollen wir uns festhalten. ,,Fürchtet euch nicht!", sagt Christus seinen Jüngern. Lucas Cranach hat diese Botschaft gemalt.
Am schönsten ist ihm das in dem Altarbild gelungen, das Sie in Händen halten:
Es ist der Flügelaltar, den Lucas Cranach d.J., im Jahr 1584 für die Schlosskapelle in Colditz geschaffen hat.
Der Flügelaltar hält im geschlossenen Zustand noch verborgen, was offenbar werden soll: ein Geheimnis. Es ist Gottes Geheimnis für die Welt. Einzigartig ist die Form. Kurfürst August von Sachsen hat sich von Cranach diesen Herzaltar gewünscht. Der Künstler Cranach hat daraus eine gemalte Predigt gemacht. Diese sagt: Schau her!
Gott öffnet sein Herz für die Menschen. Wie sehr Gott die Menschen liebt, wie sehr er dich und mich liebt, das siehst du hier. Darum heißt es auch: ,,Fürchtet euch nicht!"
Jetzt sehen wir uns unser Bild etwas an:
II. Die linke Außenseite: Die Sünde – „Ich fürchtete mich."
Schon bei geschlossenem Altarbild ist das eine Thema zu erkennen:
Auf der linken Seite sehen wir die Urszene des Menschseins. Adam und Eva sind im Paradies, noch umgeben von Harmonie: Rehe, Hasen und Füchse leben friedlich nebeneinander. Adam nimmt soeben von Eva einen Apfel entgegen. Die Schlange, die Eva dazu überredet hat, vom Baum der Erkenntnis zu essen, schlingt sich um diesen Baum und blickt von oben auf sie herab. Diese Erzählung ist als „Sündenfall" in die Glaubensgeschichte eingegangen.
Es ist der Moment, den jeder Mensch individuell immer wieder erlebt und der erklärt, warum der Mensch nicht mehr im Paradies lebt: Die Sünde hat ihren Ursprung im Wunsch, sein zu wollen wie Gott, sich nicht als Geschöpf zu verstehen, sondern so leben zu können, dass wir Gott nicht brauchen: Unabhängig sein, frei sein, sich nichts schenken lassen wollen, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, niemanden etwas schuldig sein müssen.
Doch anstatt sich wie Gott zu fühlen, entdecken die beiden ihre Blöße, ihre Nacktheit und schämen sich.
Das ist die Kehrseite: Wer sich nichts schenken lassen will, wer alles selbst in die Hand nimmt, der muss auch mit seiner Blöße leben, der verzweifelt am Ende an dem, was er nicht kann, was er falsch macht, woran er schuldig wird. Adam, der Mensch, schämt sich.
Als Gott nach Adam ruft, antwortet er:
„Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt darum versteckte ich mich. "
Die Furcht des Menschen, ist die Furcht, sozusagen nackt dazustehen, als verletzlich und bedürftig dazustehen. Wir schämen uns unserer „Blöße", weil wir nichts haben, womit wir unser „So-Sein" verstecken können. Damit beginnt das Unheil des Menschen.
Auf der linken Seite malt uns Cranach also einen Spiegel vor Augen: So bist du, Mensch.
Und jetzt sehen wir die rechte Außenseite – das sehen wir schon – die Gnade – Fürchte dich nicht!
III. Die rechte Außenseite: Die Gnade - Fürchte dich nicht!
Cranach malt Gottes Antwort: die Gnade.
„Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden"
Das sagt der Engel Gabriel zu Maria, die die Mutter Jesu werden soll. Eben schwebt der Heilige Geist, in Form einer Taube, aus ihrem Himmelbett.
Mensch, du hast Gnade gefunden vor Gott! Cranach malt ganz bewusst eine Maria, die der Eva auf der linken Seite wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Mensch, Eva! Mensch, Adam! Gott kommt dir nahe in seinem Sohn. Die Gnade ist Gottes Antwort auf die Sünde des Menschen.
Noch ist nicht zu sehen, wie das zugehen soll, das Altarbild ist noch geschlossen. Aber schon sind die zwei großen Themen der Reformation dem Betrachter vor Augen geführt: Es geht um Sünde und Gnade, um das Unheil des Menschen und den Heilsplan Gottes.
„Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden"
Dieses „Fürchte dich nicht" durchzieht die ganze Bibel, es durchzieht die gesamte Geschichte Gottes mit uns Menschen. Es durchdringt auch dieses ganze Altarbild. Der Herzaltar Cranachs ist eine Predigt vom Fürchten und Sich-Nicht¬Fürchten-Müssen !
Maria kniet an einem Lesepult. Die Bibel ist zum Betrachter hin aufgeschlagen. Lies in der Bibel, Mensch! Cranach schafft es, den kürzesten Psalm der Bibel, den 117. Psalm, in dieses Bild, in diese aufgeschlagene Bibel hinein zu malen:
,,Lobet den Herren, alle Heiden! Preiset ihn alle Völker! Denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit. Halleluja."
Cranach gibt uns hier einen Hinweis: Was gleich geöffnet, geoffenbart wird im Innern des Altarbildes, ist Grund zum Loben.
IV. Der geöffnete Altar: Der Glaube
Wo bist du Mensch?
Jetzt öffnen wir das Altarbild und schauen mitten in Gottes Herz, in das Geheimnis, das hier enthüllt wird.
Unser Blick fällt auf das Kreuz Christi. Dieses Bild sollen wir betrachten, meditieren, uns einprägen. Das ist Glaube, wie ihn Luther beschreibt:
,,Der Glaube ist ein steter und unverwandter ( d.h. fortwährender, dauernder) Blick auf Christus."
Mehr braucht es nicht, sagt er.
Lucas Cranach, der Jüngere, malt hier nicht allein eine Kreuzigungsszene wie sie uns biblisch überliefert ist. Mit seinen Mitteln der Kunst gestaltet er diesen Blick auf Christus, ja er predigt gleichsam und fordert uns auf, uns selbst im Bild zu positionieren:
Cranach teilt das mittlere Bild in zwei Hälften: Am Kreuz, an Christus scheiden sich die Geister, trennen sich die Menschen zur Linken und zur Rechten.
Wo bist du, Mensch? Die Frage, die Gott Adam stellt, taucht auch hier wieder auf: Wo bist du, Mensch? Wendest du dich ab oder stellst du dich zu Christus?
Auf der linken, unteren Bildhälfte sehen wir in rot gekleidet den Lieblingsjünger Johannes, der mit den trauernden Jüngerinnen und Maria unter dem Kreuz ausharrt.
Über der Gruppe der Trauernden ist auf einem Pferd der römische Hauptmann in Ritterrüstung zu sehen, der plötzlich das erstaunliche Bekenntnis spricht: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!"
Auf Jesu rechter Seite hängt der verurteilte Verbrecher, der sich in seiner letzten Stunde Christus zuwendet und dem dieser verspricht: „Wahrlich ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein".
Mensch, wo bist du? Wohin wendest du dich in deiner Furcht?
Die Menschen zur Rechten des Gekreuzigten sind keine Helden. Aber sie halten aus, sie laufen nicht weg. Sie wagen den Blick auf den leidenden Christus. Auf geheimnisvolle Weise wirken sie mit dem Gekreuzigten verbunden. Es ist nicht offenbar, nicht offensichtlich, aber man spürt die Hoffnung auf den, der ihnen sagt: Du wirst mit mir im Paradies sein.
„Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird".
Die Menschen auf der rechten Bildhälfte neben dem Kreuz haben keinen Blick für Christus: der Verbrecher wendet sich ab, die Soldaten streiten untereinander um den Mantel, andere stecken schwerbewaffnet in ihren Rüstungen. Alle sind beschäftigt mit sich selbst: Soldaten und Händler, ganz in ihrer Welt gefangen, die vor Waffen strotzt.
Der ganze Horizont ist übersät mit Kriegswaffen. Keine gleicht der andern. Cranach erfindet noch weitere Waffenformen dazu. Vielleicht als Zeichen für all die schrecklichen Waffen, die Menschen noch erfinden. Der Betrachter könnte untergehen in diesem Meer an Mordwaffen.
Wir könnten verzweifeln über das, was Menschen sich antun - aus Furcht voreinander, aus Furcht, nackt dazustehen vor den anderen, aus Furcht davor, verletzlich zu sein, verletzt zu werden. Wir könnten verzweifeln - auch weil wir da nicht raus wissen. Wir sind doch Teil dieser Welt.
Dem Verbrecher zur Linken fällt da nur noch Spott ein: Wenn du wirklich der Christus bist, dann hilf dir doch selbst - und uns! Aber rechnet er wirklich mit Gott?
Was tun mit meiner Furcht?
Wie viel Angst kann ein Mensch aushalten? Es gibt Situationen im Leben von einem jeden von uns, da wird die Angst übermächtig: sie ergreift uns und lässt uns völlig hilflos werden, machtlos, ausgeliefert. Wir können nichts dagegen tun. Oder doch?
Lucas Cranach malt ein Bild für solche Zeiten. Er hat die Angst selbst durchlebt: hat Vertreibung erlebt, Krieg, die Pest, die ihm die erste Frau genommen hat, hat Nächte durchwacht und durchbetet, in denen ihm vier seiner neun Kinder gestorben sind. Ob er an sie gedacht hat, als er die linke Bildhälfte gemalt hat? Sind sie mit hineingemalt in den Chor der Engel an der Krippe?
Was tun mit der Verzweiflung? - Das wird sich auch Lucas Cranach gefragt haben: Wohin mit meiner Angst? Wie die Furcht aushalten, die mich niederdrückt?
Er hat eine Antwort gefunden:
Schau auf Christus! Halt dich an ihm fest. Glaube!
„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können ", sagt Jesus seinen Jüngern. Jesus rückt mich zurecht. Er weist die Angst in ihre Schranken: Die Seele können sie nicht töten. Luther hat trotzig gegen die Angst gesungen:
„Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib: lass fahren dahin, die haben' s kein Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben."
Den Ausblick auf dieses Reich gibt uns Cranach auf der rechten Seite:
Die eben noch so furchterregenden, waffenstrotzenden Soldaten sind eingeschlafen. Nur einer ist erwacht und schaut auf Christus. Die Welt hat sich verändert. Kein Säbelgerassel mehr. Die Waffen schweigen. Jesus ist Sieger: eingehüllt in den purpurfarbenen Königsmantel, in der Hand die Siegerfahne. Segnend wendet sich Jesus uns zu.
Und jetzt offenbart sich, wer wirklich der Herr dieser Welt ist: es ist der Auferstandene. Seine Gegenwart durchzieht die Weltzeit. Gottes Heilsplan durchkreuzt das Unheil der Welt.
In einem großen Bogen hat Cranach diese unsichtbare, verborgene Gegenwart des barmherzigen Gottes komponiert:
Auf der linken Tafel malt er Christi Geburt. Schon an der Krippe verweist Cranach auf den guten Hirten. Auf einer Ebene mit dem Kreuz der Mitteltafel sehen wir den Hirtenstab: Gott ist gegenwärtig in dieser Welt – „und ob ich schon wanderte im finstern Tal."
In der Mitte wird unser Blick auf das übergroße Kreuz gelenkt. Ein Zeichen des Leidens, ja. Es ist Gottes Leiden an dieser Welt. Aber das Kreuz überragt doch alle Speere und Spieße der Welt.
Auf der rechten Seite kommt Gottes Liebe zum Ziel. Wo zuvor das Kreuz im Mittelpunkt stand, ist es jetzt der Auferstandene. Anstelle des Kreuzes sehen wir die Fahnenstange des Siegers über den Tod.
Schau Gott ins Herz - schau auf Christus! „Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. "
Was nicht zu sehen ist, aber der Glaubende hört, ist: „Fürchte dich nicht!"
Es ist das heimliche Motiv des Altarbildes von Lucas Cranach dem Jüngeren. Es ist das, was dem bloßen Auge verborgen ist, aber dem Glaubenden sich offenbart:
Fürchtet euch nicht - das ist den Hirten schon auf dem Feld gesagt worden.
Fürchtet euch nicht - das ist den Frauen am leeren Grab zugerufen worden.
Fürchtet euch nicht - das ruft Christus uns vom Kreuz zu.
Schaut auf Christus in eurer Furcht - und prägt euch das Bild ins Herz ein.
Martin Luther hat darum gegen die Angst dichten können: „Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen."
Lucas Cranach, der Jüngere, hat gemalt, was der Reformator gepredigt und besungen hat: Er hat mit seinen Mitteln gepredigt und den Menschen vor Augen gemalt:
Gott öffnet uns sein Herz!
Allein durch Christus, allein aus Glauben, allein aus Gnade sind wir vor Gott gerecht und müssen uns nicht fürchten.
Sie halten diesen Herzaltar in Miniatur in den Händen wie eine Taschenbibel. Eine Bibel ohne Worte. Die kürzeste Zusammenfassung, über Gott und den Menschen: Gott hat ein Herz für dich.
Du hast Gnade gefunden bei Gott - durch Christus allein.
Legen Sie dieses Miniatur-Altarbild auf Ihr Nachtkästchen, auf den Schreibtisch, in die Bibel oder in Ihren Geldbeutel.
Wenn dann die Furcht kommt, die Angst übergroß wird, dann nehmen Sie dieses Bild wieder in die Hand!
Schauen Sie hin und hören, was Christus spricht: Fürchte dich nicht.
Schau auf Christus!
Mehr musst du nicht tun.
Amen.
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