Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute

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Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute

Liebe Gemeinde,
ich möchte heute mit einer kleinen Geschichte beginnen – der Geschichte vom Oberförster und den Ameisen.
Es ist eine Weihnachtsgeschichte – auch wenn Weihnachten nicht darinnen vorkommt:
Kam der Oberförster in den Wald und sah, dass seine Ameisen auf Wanderschaft zu einem großen Gebirgsbach sind. Er hatte Angst um sie, dass sie in den Tod laufen, schließlich waren sie für die Ökologie des Waldes unabdingbar. So stellte er der ersten Ameise seinen Fuß in den Weg, um sie zu "bremsen". Doch die Ameise wusste damit nichts anzufangen und lief darüber weg. Für sie war "Fuß" etwas Unbekanntes und in der Größe auch etwas Bedrohliches, schließlich waren ihre Gehwerkzeuge ganz anderer Art und viel überschaubarer. Der Oberförster geriet in Panik und merkte, dass die Ameisen nicht verstanden, was er bezwecken wollte. Er legte einen großen Stein auf den Weg, um ihn weiter abzusperren. Doch auch der Stein hinderte die Ameisen nicht daran, ihren Weg zum Bach / in den Tod fortzusetzen. Sie wussten ja noch nicht, dass sie auf den Tod zulaufen. Sie wunderten sich nur, dass es plötzlich kalt unter ihren Füßen wurde, bedingt durch den großen Stein, und sie einen "Umweg" laufen mussten. Da sah der Oberförster keinen weiteren Ausweg mehr, um seine Ameisen vor dem Ertrinken zu retten, als selbst Ameise zu werden. Sofort spricht er die erste Ameise an: "Stopp, bleib stehen! Ich bin der Oberförster und habe die Übersicht. Wenn ihr hier weiter lauft, lauft ihr direkt in den Bach und somit in den sicheren Tod". "Ha, ha", lachten da einige Ameisen. "Du bist eine Ameise wie wir und nicht der Oberförster, das ist doch nun ganz eindeutig zu sehen". "Doch, ihr müsst mir glauben, ich will doch nur euer Bestes" "Du spinnst ja!" sagten ihm da die Ameisen. "Nein, ich will euer Leben retten und euch den richtigen Weg zeigen! Habt ihr nicht gemerkt, dass ich euch meinen Fuß vorgesetzt habe und euch einen Stein in den Weg gelegt habe?!" "Du behinderst uns, legst uns Steine in den Weg, stellst uns deinen Fuß in den Weg und willst uns retten und helfen? Sag mal, du verkaufst uns ja das "Schwarz" für "Weiß" und nur weil wir Ameisen sind, fallen wir noch lange nicht darauf rein". "Doch, ihr müsst mir glauben. Ich bin zwar eine Ameise, aber eigentlich bin ich der Oberförster. Ich habe ja keine andere Wahl gehabt, als Ameise zu werden, weil ihr mich auf keine andere Art verstehen könnt. Wenn ihr mir folgt, führe ich euch in Sicherheit, ihr müsst nur einfach hinter mir hergehen". Einige der Ameisen glaubten ihm und gingen ihm hinterher, aber nicht unwesentlich wenige ignorierten die Ameise, die ja eigentlich ein Oberförster ist, und sie liefen in den sicheren Tod.
Vielleicht fragt jetzt mancher von euch: Was hat das mit Weihnachten zu tun?
Diese Geschichte zeigt uns wie Gott zu Weihnachten wurde. Er wurde in Jesus Christus Mensch um uns Menschen nahe zu sein.
Genau davon erzählt uns einer, der verstanden hat, worum es geht: Der Evangelist Johannes. Sein ganzes Evangelium hat er geschrieben, um zu bezeugen, wer Jesus ist und wozu er in diese Welt kam (evtl. Joh 20,31 zitieren).
Im ersten Kapitel beschreibt er dicht und komprimiert, worum es geht, wenn wir die Geburt von Jesus feiern. Ich lese das Evangelium noch einmal nach der Neuen Genfer Übersetzung:
Textlesung: Johannes 1,1-14
Jesus Christus – das Mensch gewordene Wort Gottes
1 Am Anfang war das Wort; das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
2 Der, der das Wort ist, war am Anfang bei Gott.
3 Durch ihn ist alles entstanden; es gibt nichts, was ohne ihn entstanden ist.
4 In ihm war das Leben, und dieses Leben war das Licht der Menschen.
5 Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht auslöschen können.
6 Nun trat ein Mensch auf; er war von Gott gesandt und hieß Johannes.
7 Er kam als Zeuge; sein Auftrag war es, als Zeuge auf das Licht hinzuweisen, damit durch ihn alle daran glauben.
8 Er selbst war nicht das Licht; sein Auftrag war es, auf das Licht hinzuweisen.
9 ´Der, auf den er hinwies,` war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet – das Licht, das in die Welt kommen sollte.
10 Er war in der Welt, aber die Welt, die durch ihn geschaffen war, erkannte ihn nicht.
11 Er kam zu seinem Volk, aber sein Volk wollte nichts von ihm wissen.
12 All denen jedoch, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden.
13 Sie wurden es weder aufgrund ihrer Abstammung noch durch menschliches Wollen, noch durch den Entschluss eines Mannes; sie sind aus Gott geboren worden.
14 Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch von Fleisch und Blut und lebte unter uns. Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit, wie nur er als der einzige Sohn sie besitzt, er, der vom Vater kommt.
1. Gott wird Mensch
Liebe Gemeinde,
wir feiern in diesen Weihnachtstagen nicht irgendetwas, das längst der Vergangenheit angehört, so etwa wie ein historisches Geschehen, das vor 2000 Jahren war, wie etwa die Greizer, dim im nächsten Jahr das 800 jährige Bestehen ihrer Stadt feiern. Nein, wir feiern mit der Geburt von Jesus das größte Wunder, das je in der Weltgeschichte geschehen ist und das auch für uns heute noch Bedeutung hat: Gott wird Mensch. Das bezeugt uns Johannes. Er führt uns an den Ursprung aller Dinge und beschreibt den Weg des ewigen Sohnes Gottes, der von der Ewigkeit bis hinein in unsere Herzen führt:
3 Durch ihn ist alles entstanden; es gibt nichts, was ohne ihn entstanden ist.
4 In ihm war das Leben, und dieses Leben war das Licht der Menschen.
Der Gott, der den Kosmos schuf, Milliarden von Galaxien, dieser Gott kommt auf die Erde, hinein in sein Eigentum, in das, was ihm gehört, und zu den Menschen, die ihm gehören.
Im Bild der Geschichte gesprochen: Der große Oberförster musst zur kleinen Ameise werden, damit er etwas ausrichten kann.
Aber sehen Sie, genau das ist damals in Bethlehem passiert: Der große Gott bleibt nicht vor der Welt stehen und zuckt mit den Schultern – da habt ihr eben Pech gehabt, wenn ihr mich nicht hört.
Er überlässt seine Menschen nicht ihrem Schicksal, sondern er macht sich ganz klein und steigt gewissermaßen in die Welt der Ameisen hinein.
Er kommt hinein in unsere kleine, begrenzte Welt und wird einer von uns. Gott wird Mensch.
Aber er kommt nicht mit Prunk und Pomp. Gott kommt als kleines, schwaches Kind, als ein Kind, das wie jedes andere in die Windeln macht. Dieses kleine Kind in der Krippe ist der Herr, dem diese Welt gehört. In diesem Kind in der Krippe begegnet uns nicht nur ein besonderer Mensch – in Jesus wird kein geringerer als der lebendige Gott selbst Mensch.
Der Gott, durch den diese Welt geschaffen wurde, wird in Jesus Christus einer von uns. Das ist das unfassbare Wunder. Deshalb feiern wir seine Geburt.
In allen Religionen dieser Welt liegt es beim Menschen, sich abzumühen und alles zu tun, um zu »Gott« zu kommen. Die Botschaft von der Geburt von Jesus sagt uns genau das Gegenteil: Gott kommt zu uns. Das ist das Ende aller (falschen) Vorstellungen, die wir Menschen uns von Gott machen, denn in diesem einen, in Jesus Christus, stellt sich uns Gott persönlich vor. »Er (Jesus) ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1,15).
Das sprengt unseren kleinen Menschenverstand, aber das ist das Große und Einzigartige der Weihnachtsbotschaft: In Jesus kommt Gott zur Welt. Gott wird Mensch.
2. Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute
»Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute, Gottes Kind, das verbind’t sich mit unserm Blute.« (EG 36,2), heißt es dem Weihnachtslied von Paul Gerhardt, was wir nachher auch singen.
Deshalb gilt uns die frohe Botschaft des Engels: »Euch ist heute der Heiland (der Retter) geboren, welcher ist Christus, der Herr« (Lk 2,11).
»Er (der Herr) kam in sein Eigentum, doch (und das ist das Unglaubliche!) die Seinen nahmen ihn nicht auf.«
Wie kann das sein? Gott kommt zu seinen Menschen, doch sie lehnen ihn ab?! Das ist die bittere Realität! Das ist schon so, seit es uns Menschen gibt (vgl. 1. Mose 3).
Wir laufen Gott davon. Wir wollen unsere eigenen Herren sein und setzen uns selbst an die Stelle Gottes. Gott spielt in unserem Leben höchstens eine Nebenrolle, die Hauptrolle dagegen spielen wir selbst. Wir leben, als ob es Gott nicht gäbe, getrennt von Gott. Das nennt die Bibel »Sünde« – getrennt sein von Gott.
Der Mensch, der sich selbst zu Gott aufspielt, wird unmenschlich. Der Mensch, der Gottes Barmherzigkeit nicht kennt, wird unbarmherzig. Der Mensch, der Gottes Gnade nicht kennt, wird gnadenlos.
Der Mensch ohne Gott – das ist die tiefe Ursache der Not dieser Welt. Nicht Gott hat sich von der Welt, von seinen Menschen, abgewandt, sondern der Mensch hat sich von Gott abgewandt.
In diese heillose Welt kommt Gott hinein. Und warum? Erinnern Ihr euch noch? Warum wollte der Oberförster Ameise werden – weil er die Ameisen vor dem Abgrund retten wollte.
Seht, genau darum wurde Gott Mensch. Deshalb nahm es Jesus Christus in Kauf, die Herrlichkeit seines Vaters zu verlassen, in diese heillose Welt zu kommen und in ihr zu leben, aus Liebe zu uns. Dafür durchlebte er selbst Leid, Not, Einsamkeit und Tod.
Er wird Mensch, damit wir begreifen und fassen können, wie er ist und wer er ist. Er kommt, weil wir ihm nicht gleichgültig sind; weil er uns sagen und zeigen will:
Meine Geschöpfe, ich habe euch unendlich lieb, aber glaubt mir, es tut euch nicht gut, ohne mich zu leben. Ich will euch meine Liebe schenken. Meine Liebe soll euer Leben und Zusammenleben prägen.
In Jesus begegnet uns der menschgewordene, liebende Gott selbst. Das bedeutet aber: Wer Jesus ablehnt, der lehnt den lebendigen Gott ab; der lehnt den Herrn und Heiland der Welt ab.
Und das geschieht heute wie damals.
Die Zeitgenossen von Jesus glaubten an Gott, aber Jesus passte nicht in ihr Bild von Gott. Sie erkannten ihn nicht, und deshalb anerkannten sie ihn nicht. »Doch die Seinen nahmen ihn nicht auf«, berichtet Johannes von Jesus. Jesus stößt auf schärfste Ablehnung.
Die Liebe Gottes und die Ablehnung der Menschen prallen aufeinander.
Diese Ablehnung führt konsequent zu seinem Leiden und Sterben. Er wird ausgepeitscht, sie spucken ihm ins Gesicht, sie stoßen ihn hinaus aus Jerusalem und führen ihn auf den Schutthügel Golgatha. Dort erreicht die Ablehnung Gottes ihren Höhepunkt. »Kreuzige ihn!«
Das ist der Ruf der Menschheit, die Gott ablehnt.
Aber genau dort am Kreuz erreicht zugleich auch die Liebe Gottes ihren Höhepunkt. »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« (Lk 23,34), so betet Jesus für uns. Es ist der höchste Ausdruck der Liebe Gottes zu uns Menschen. Gott selbst nimmt die Schuld dieser Welt, unsere Ablehnung und Gleichgültigkeit ihm gegenüber, auf sich. Die Strafe, die wir durch unsere Verachtung Gott gegenüber verdient hätten, nimmt er am Kreuz von Jesus auf sich. Im Gekreuzigten sehen wir der Liebe Gottes ins Angesicht. Gott, der Sohn, leidet und stirbt stellvertretend für uns.
Gottes Gnade gilt uns! Er schenkt sie uns zu Weihnachten.
Wir können und brauchen uns den Himmel nicht zu verdienen – so wenig, wie sich der Verbrecher am Kreuz neben Jesus den Himmel verdienen konnte. Er schreit zu Jesus: »Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!« (Lk 23,42). Und Jesus verspricht ihm: »Wahrlich, ich sage dir: heute wirst du mit mir im Paradies sein.« (Lk 23,43).
Wer ist Jesus, dass er uns den Himmel schenken kann? Martin Luther antwortet: »Es ist der Herr Christ unser Gott, der will euch führn aus aller Not, er will euer Heiland selber sein, von allen Sünden machen rein« (EG 24,3).
Dazu kam Gott zur Welt. Krippe und Kreuz sind aus demselben harten Holz. Beide tragen sie Jesus, den Retter dieser Welt. Das schreiende Kind in der Krippe und der schreiende Mann am Kreuz – es ist derselbe. Und als er schrie: »Es ist vollbracht«, da hat er auch an dich gedacht! Gott kommt in diese Welt, um uns aus unserer Gottesferne zu retten. Für uns nahm er diesen schweren Weg von der Krippe bis zum Kreuz auf sich. So kam er in sein Eigentum, zu seinen Menschen, zu uns.
3. Nehmen wir ihn auf?
»Und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben.« – Moment mal!
Gibt es nun doch Menschen, die besser sind als die anderen? Gibt es nun doch ein paar besonders fromme und gute Menschen, die Jesus nicht ablehnen, sondern ihn annehmen?
Nein, keineswegs! Die Ablehnung gegen Gott steckt tief in jedem Menschen, ohne Ausnahme! Aber das Wunder der Menschwerdung Gottes hat bis heute seine Auswirkungen.
Seitdem geschieht immer wieder ein anderes Wunder: Das Wunder, dass ein Mensch, dem Jesus Christus begegnet, herausgerissen wird aus seiner Ablehnung und als ein neuer Mensch geboren wird. Wie kann das geschehen?
Diese Neugeburt wird von Gott gewirkt – und das ist und bleibt ein Geheimnis, über das wir nur staunen und darum beten können.
Die Botschaft von der Geburt von Jesus sagt uns jedenfalls: Weil Gott in Jesus Christus zum Menschenkind geworden ist, können wir Menschen durch den Glauben an Jesus Christus zu Gotteskindern werden. Deshalb nennt Johannes die Menschen, an denen dieses Wunder der Neugeburt geschieht, »Kinder Gottes«.
Gott schenke es, dass dieses Wunder auch heute in diesem Gottesdienst geschieht, damit aus Ablehnung Anbetung wird. Jesus Christus, das Kind in der Krippe, lädt uns ein und ruft jedem von uns zu: »Lauf nicht mehr von mir weg, sondern komm zu mir! Du darfst kommen, wie du bist, so wie die Hirten damals! Komm zu mir mit deiner Einsamkeit, mit deiner Schwachheit und deinem Versagen, mit deinen Verletzungen und Schmerzen. Deine Angst, deine Sorgen, deine Schuld, deinen Egoismus – gib das alles mir! Komm zu mir, mit allem, was zu dir gehört! Ich bin für dich in diese Welt gekommen.
Dass wir uns von Jesus an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag beschenken und einladen lassen? Amen.
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