Predigt über Mt.6,11 - Brot

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Predigt über Mt.6,11

Autor: Thomas Ehlert

 

Erstelldatum: 30. September 1996

Titel: Unser tägliches Brot

Bibelstelle: Mt.6,11

Anzahl der Seiten: 6

Anzahl der Wörter: 2409

Anzahl der Zeichen: 12849

Gliederung:

Erntedankfest darf keine Alibiveranstaltung sein........

Brötchengeber - Brötchenbäcker.................................

Unser tägliches Brot....................................................

A: Es geht um etwas zeitlich naheliegendes..............

B: Die Frage nach dem Notwendigen.......................


[Brot wurde ausgeteilt, das die Gemeinde nun schmecken darf.]

Auch wir wollen heute unsern Bibeltext mal spielen. Mal erschmecken. Unser tägliches Brot gib uns heute. Jeder hat seine Portion in der Hand. …

Ich weiß nicht, was sie denken, wenn sie diese Bitte des Vater Unsers beten. Unser tägliches Brot gib uns heute. Ich denke bei der Bitte um das tägliche Brot an die Geschichte von Hänsel und Gretel. Sie kennen das Märchen… (Hänsel und Gretel, die mit dem Brot die Vögel füttern, Knusper, Knusper, Knäuschen...,Hexe sperrt Hänsel ein und will ihn mästen für einen Braten zum Erntedankfest.)

Genauso ist es doch, da strecke ich jedes Mal wenn ich das bete, so das dünne hölzerne Stöckchen heraus - unser tägliches Brot - und gleichwohl werde ich von der unserer Industriegesellschaft gefüttert und gemästet, das der Stall durch das Anwachsen meines Leibesumfangs aus allen Nähten platzt. Aber beim Kontrollgang kommt immer nur das hölzerne Fingerchen raus.

Und ein wirklich großer Tag der Mastkontrolle ist ja in gewisser Hinsicht auch das Erntedankfest.

Ich war vor einigen Jahren in Afrika. Das war zum Anfang der dortigen Regenzeit. Und es war ganz interessant für mich zu beobachten, das die Leute meistens so einmal in die Woche in einen extra Gottesdienst gingen. Meistens mittwochs abend, wenn ich es recht weiß. Dieser Gottesdienst hatte einen Zweck: Die Bitte um Regen. Wenn der Regen nicht kommt, dann kommt die Dürre, dann kommt die Mißernte, dann kommt der Hunger.

Und darum stiefelten die Leute einmal in der Woche zur Kirche, wurde natürlich auch sonst für gebetet, aber so einmal die Woche kam man zu einem speziellen Gottesdienst zusammen.

Unser täglich Brot gib uns heute, daß was dafür heute nötig ist: der Regen.

Ich kann mir seitdem lebhaft vorstellen, wie die ihre Erntedankgottesdienste feiern.

Aber mal ehrlich gesagt: Wie oft sind wir zusammengekommen? Wie oft haben wir gebetet für die Ernte dieses Jahr? Für den Regen, für die Sonne? Für die Leute auf dem Feld?

Ist doch eher bescheiden. Und der Gedanke, einen Gottesdienst zu veranstalten, um unsere Talsperren wieder aufzufüllen ist uns doch weit entfernt. Und wieviel wären gekommen beim Gebet fürs richtige Wetter von Mai bis September?

Wenn wir mal ehrlich sind - irgendwie fehlt uns dazu die Beziehung. Und jetzt haben wir aber mal heute so einen Tag, denn die Kirchenoberen oder sonst wer als Erntedankfest ausgeschrieben haben und jetzt müssen wir damit was anfangen.

Und meine Befürchtung ist jetzt diese. Das wir diesen Tag als so einen Alibitag mißbrauchen. Letztlich geht es zwar um das tägliche Brot, aber wir machen daraus einen Tag im Jahr. Letztlich geht es nur um das Notwendige für den Tag und wir ersticken am Überflüssigen. Aber so einmal im Jahr lassen wir uns auch daran erinnern. Schön konzentriert und dicht auf diesen einen Tag im Jahr und dann hat es sich auch.

Es ist doch auch nicht mehr wirklich unser Problem, die Sorge ums tägliche Brot. Wir haben Probleme mit dem zuviel. Eher als mit dem zuwenig. Die Frage ist nicht wie wir mehr Kalorien kriegen, sondern wie wir sie geschickt reduzieren. …

Und da wo ich die Sorge, die Not nicht mehr spüre, da läßt halt auch der Dank nach und weicht der Selbstverständlichkeit. Und da schickt es doch, ist es doch ausreichend, wenn wir einmal im Jahr so eine Dankfest veranstalten. Gott mischt zwar nicht mehr rein in unsere Lebens- und Existenzfragen:

Ist das Fleisch auch mager?

Wie erwische ich aus der Kiste Äpfel im Supermarkt die drei schönsten? Usw.

Aber wir können doch anzeigen, nein wir haben den lieben Gott nicht vergessen.

Denn so einem Tag im Jahr, ein Tag konzentrierten Dankes (wofür eigentlich?) aber egal, einen Tag sollte man dem Herrgott schon gönnen. Das ist meine Befürchtung - das wir heute so eine Alibiveranstaltung abfeiern. Ziemlich losgelöst von den wirklichen Problemen unseres Alltags.

Mit dem ehrlichen Bemühen, darüber nachzudenken, wofür man Gott alles danken kann, aber mit dem Wissen im Hinterkopf, daß wir - aufs Jahr gesehen - es eben doch nicht machen, denn wir haben ja schon alles. Da sehe ich meine, unsere Probleme mit dem Erntedankfest.

Und darum meine These heute:

Erntedankfest darf keine Alibiveranstaltung sein.

Erntedankfest darf keine Alibiveranstaltung sein. Und ich will zwei Punkte unseres kurzen Gebetstextes aus dem Vaterunser ausleuchten, die uns vielleicht helfen, bewußter zu danken, den Tag für das tägliche Brot in unser Leben, in unseren Alltag hineinzukriegen.

Brötchengeber - Brötchenbäcker

Wer ist Ihr Brötchengeber? Und wer ist Ihr Brötchenbäcker? Der eine hat mit dem anderen doch herzlich wenig zu tun. Bis auf den schmerzlichen Zusammenhang, daß Sie maximal nur soviel Geld beim Brötchenbäcker ausgeben können, wie Ihnen von Ihrem Brötchengeber überwiesen wurde. Ich denke es ist wichtig, daß wir diese Unterscheidung machen. Beim Brötchenbäcker gibt’s am Monatsende kein Geld, beim Brötchengeber gibt’s am Samstagmorgen keine Brötchen. Darum ist die Unterscheidung wichtig, zwischen Brötchenbäcker und Brötchengeber. Bei dem einen verdiene ich meine Brötchen, bei dem anderen bekomme ich sie.

Also, für die Ballaststoffe und die tägliche Kalorienzufuhr sorgt der Brötchenbäcker, ohne ihn wären die meisten von uns aufgeschmissen. Aber, wenn’s den Brötchengeber nicht gäbe, würde uns der Brötchenbäcker alleine auch nicht weiterhelfen. Brötchenbäcker - Brötchengeber?

Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft. Wir haben es fast bis ins Letzte erforscht, wie Getreide wächst und was es dazu braucht. Zur Not helfen wir nach: Wasserpumpe, Spezialdünger, Schädlingsbekämpfungsmittel. Wir wissen, wann man die Saat am besten ausstreut und auf welchen Boden. Wir züchten Saaten, die möglichst viel Ertrag bringen. Wir haben Spezialdünger entwickelt, für jede Sorte Gemüse, eine Extrazusammenstellung. Lange vorbei die Zeit, da unsre Erdbeeren mit Pferdeäpfel gedüngt vor sich hin dümpelten. Knackige Erdbeeren brauchen den Spezialdünger.

Daß wir heute kein Hunger leiden, ist ein Erfolg der Naturwissenschaft, unserer Zivilisation, ohne Frage.

Und Gott, was hat er damit zutun? Wir machen unser täglich Brot selber! Und das in hunderten von Sorten und Arten, in einer unüberschaubaren Vielzahl. Wozu sollen wir ihn darum bitten? Das wäre doch eine mittelalterliche Vorstellung. Nein, Gott kann außen vor bleiben, der soll sich mal um anderes kümmern, wir haben die Brotproduktion fest im Griff!

Ich glaube: Wir haben den Brötchenbäcker erforscht, dahinter aber ist uns der Brötchengeber meist unbekannt und verborgen geblieben.

Ich glaube: Wir haben den Brötchenbäcker erforscht, wir wissen wie Hefe funktioniert, wieviel Mehl und wieviel Salz bei wieviel Grad in welcher Backform wie lange gebraten welchen Kuchen ergibt. Dahinter aber ist uns der Brötchengeber meist unbekannt und verborgen geblieben. Mehr noch, er ist uns verloren gegangen, wir haben ihn aus dem Auge verloren.

Aber ohne ihn läuft nichts. Martin Luther sagte einmal: "Und wenn alle Welt sich zu Tode arbeiten wollte - wenn Gott nichts hineinlegt, dann findet der Sperling nichts".

Es ist mit unserer Arbeit nicht getan. Es ist mit unserem Wissen mit unserem Verstand, mit unserer Technik nicht getan. Sicherlich, das ist das Verführerische unserer Zeit. Das alles so aussieht, als hätten wir es im Griff. Das man die Erfahrungen, das es all unser Wissen und Können und Tun letztlich nicht bringt, das man diese Erfahrungen nicht mehr so macht wie noch frühere Generationen. Aber wer meint, durch die Optimierung unserer Produktionsprozesse hätten wir Gott sozusagen ersetzt und könnten ihn außen vorlassen, der irrt sich gewaltig. Der macht den Brötchenbäcker zum Brötchengeber.

Es ist wichtig zu wissen, bei Gott, beim Brötchengeber steh ich in Arbeit und Brot, nicht beim Brötchenbäcker.

Und dies zu wissen und es sich bewußt zu machen, das drückt sich aus im Danke. Und darum macht es Sinn, vor einer Scheibe Brot am Familientisch die Hände zu falten und ein Danke schön zu sagen, und sich damit bewußt zu machen, - wie heißt es in dem Erntedanklied Paul Gerhards: Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott.

Und wir alle leben täglich vom täglichen Brot, in welcher Form auch immer. Mit all dem, was zum Leben dazugehört: Pommes und Pudding, Wohnung und Wagen, Kleidung und Kroketten  und vieles mehr. Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott. Wir haben täglich Grund zum danken, weil wir vom täglichen, vom alltäglichen leben. Schon darum kann Erntedankfest keine Eintagsfliege sein. Schon darum darf Erntedankfest keine Alibifunktion bekommen.

[Chor: Alle guten Gaben]

Unser tägliches Brot

            Problem der Übersetzung

            zum Dasein nötig

            für den gerade währenden Tag, für den herankommenden Tag - das Brot für den morgigen Tag gib uns schon heute.

Aber ganz egal wie man sich im einzelnen entscheidet, zwei Dinge werden deutlich

A:es geht immer um etwas zeitlich naheliegendes um etwas tägliches, für diesen, oder für den nächsten Tag benötigtes.

B: es geht um etwas notwendiges, nicht um den Überfluß

 A: Es geht um etwas zeitlich naheliegendes

Wir sind doch die Generation der Terminkalender und Zeitplaner. Jedes 6jährige Schulkind braucht heute ein gewisses Maß an Management um seine Termine und Verpflichtungen einhalten zu können. Anderes Beispiel: Was haben sie am 19.10, 10 Uhr morgens vor? Wissen sie das auswendig? Sonst schauen sie mal in den Kalender. Sie sind auf Herbstwanderung mit unserer Kirchengemeinde.

Warum brauchen wir heute Terminplaner und Kalender? Warum überschwappt uns die Welle der Zeitplansysteme? Eigentlich doch darum, weil wir von unserem Denken her immer nur für so ein, zwei, drei Tage leben, denken und planen können. Und alles was darüber hinausgeht, geht nicht in den Kopf, paßt aber vielleicht noch in den Terminkalender. Und unsere Zeit braucht eben Planungen und Termine, die über Wochen und Monate im Voraus gemacht werden. Also ich sage es mal so. Unser Terminplaner im Kopf, der reicht eigentlich nur für ein paar Tage. Der reicht nur fürs tägliche, dem ist das wöchentliche schon eine Überlastung.

Eigentlich sind wir auf den heutigen Tag und auf den morgigen Tag konstruiert. Überlegen sie mal, was sie am Dienstag zum Mittagessen hatten. Wer weiß das noch? …

Nur braucht unsere moderne Gesellschaft andere Zeitrahmen, größere Zeitrahmen. Keine Frage. Aber die Bitte des Vater Unsers paßt sich unserer Zeit nicht an. Es ist keine Bitte mit Terminkalender. Für Warentermingeschäfte. Bitte dies am 23.11.96 anliefern. 2 Pfund Brot am 3.1.97. Hier geht es um das tägliche um das, was ich heute brauche.

Lassen sie uns doch von dieser Bitte her ein neues Bewußtsein dafür bekommen, für das tagtägliche, für das, was heute dran ist und von nöten, für das, was Gott heute gibt. Ich glaube, daß viele von uns nämlich heute kaputt gemacht werden in ihren Sorgen und Bemühungen für das morgen und übermorgen.

Ein neues Bewußtsein für das Tägliche. Bitten wir Gott für das heute, das morgen, aber nicht schon für das überübermorgen. „Es reicht, das jeder Tag seine eigene Plage habe“, sagt Jesus wenige Verse nach diesem Vater unser. Und noch was: Wer um das Brot, um das zum Leben nötige für heute bittet, der schiebt Gott nicht auf die lange Bank - heute schon will Gott helfen und geben. Jetzt soll er handeln. Heute erwarte ich was von ihm. Nicht am Sankt Nimmerleinstag. Und dann vergesse ich auch den Dank nicht so schnell

Das war die zeitliche Dimension des täglichen Brotes. Aber in diesem „täglichen“ schwingt noch eine Nuance mit. Nämlich die nach unseren Bedürfnissen, nach dem was wir heute brauchen, für heute brauchen.

B: Die Frage nach dem Notwendigen

Die Bitte nach dem täglichen Brot bringt uns in ihrer Einfachheit zu den grundlegenden täglichen Bedürfnissen zurück.

Natürlich, die Aufgabe des Geldverdienens hat sich sehr geändert, seitdem Jesus uns das Vaterunser gab. Den Zeitgenossen Jesu ging es vor allem darum, täglich das Geld für Essen, Kleidung und Obdach zu verdienen.

Heute haben wir das unter der komplizierten Aufgabe des Geldverdienens und -ausgebens fast begraben. Begriffe wie Finanzamt, Steuer und Steuerbeamter waren schon zur Zeit Jesu und früher gebräuchlich. Aber Begriffe wie Schuldschein, Aktie. Makler, Bürgschaft, Rente, Versicherungspolice, Verbraucher, Konzern usw. waren damals noch nicht üblich. Und vor dem Hintergrund der Steuerformulare und Buchhaltung scheint der einfache Satz: "Unser tägliches Brot gib uns heute" fast zu einfach zu sein.

Doch die Kompliziertheit des modernen Finanzwesens ist ein von den Menschen geschaffenes Ungeheuer. Es ist entstanden, um ein anderes von den Menschen geschaffenes Ungeheuer zu bewachen: den Materialismus und seine Gelüste. Und da ist schon interessant zu beobachten: Das Wort "Bedürfnisse" wird heute auf Luxuswaren ausgedehnt, die einen biblischen König verblüffen würden. Salomo hätte die Hälfte seines Königreiches für die Vorrichtungen gegeben, die wir in unseren Häusern haben. Aber trotzdem nennen wir sie Bedürfnisse.

Und damit wird noch ein zweiter Aspekt der Bitte um das tägliche Brot deutlich.

Wenn wir also beten: "Unser tägliches Brot gib uns heute", denken wir ja gar nicht an das einfache Brot zur Zeit Jesu. Wir erweitern das Wort Brot, bis es eine halbwegs perfekte Wohnungseinrichtung; ein neue Stereoanlage, zumindest eine CD, verschiedene Versicherungen, ein paar Aktien, ein Sparkonto und ein neues Auto verschlingt. Für uns ist das eine neue Erfahrung mal Brot pur zu essen, wie wir es gerade getan haben.

Beten wir noch um unser tägliches Brot, oder bitten wir Gott um seine Hilfe, es den Nachbarn gleichzutun? Nur Sie können diese Frage für sich beantworten.

Während wir einerseits Gefahr laufen, um zu vieles zu beten, kommen wir andererseits manchmal in die Gefahr, zu wenig zu erbitten. Wenn wir um zu vieles beten, mangelt es uns an Besonnenheit. Wenn wir um zu wenig beten, mangelt es uns an Glauben.

Jesu Gebet, und das ist ja auch ein Mustergebet, ein Strickmuster für unser eigenes Beten, - Jesu Gebet weist auf das richtige Verhältnis hin: "Unser tägliches Brot gib uns heute." Es ist richtig, Gott um die echten Lebensbedürfnisse zu bitten, und zwar für diesen Tag und nicht mehr. Dies war es, was Gott den Israeliten gab, als sie um Brot baten, damals bei ihrer Flucht aus Ägypten. Da schickte er Manna  - genug für jeden Tag, aber nicht mehr.

Jeder von uns sollte seine eigenen Gebete um das tägliche Brot prüfen. Wir dürfen gewiß auf der Ebene unseres Glaubens beten, aber nicht über die Ebene unserer Besonnenheit hinaus.

Vielleicht lehrt uns die Bitte um das tägliche, um das was wir brauchen, auch auf das unbrauchbare, aber luxuriöse eher oder bewußter zu verzichten. Amen.

Und wenn uns das gelingt, brauchen wir Erntedankfest nicht mehr als Alibifest feiern, sondern als Höhepunkt eines neuen bewußteren Lebensstil. Amen.

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