Fokus behalten!

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In Zeiten der Corona leiden viele Menschen an Angst. Sie schauen den Sturm an und nicht Jesus.

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Wenn das Normale nicht mehr normal ist

Gegenwärtig erleben wir, dass die alltäglichsten Dinge nicht mehr normal sind. Vor einigen Monaten gingen wir unbekümmert einkaufen, jetzt müssen wir daran denken, die Maske nicht zu vergessen. Vor einigen Monaten beschäftigten wir uns nicht mit der Frage, wie viele Menschen in einem Gottesdienst sein dürfen. Heute zählen wir die Besucherinnen und Besucher. Vor einigen Monaten begrüssten wir uns mit Handschlag, heute verbeugen wir uns voreinander und spüren, dass diese Form gar nicht unserem Kulturkreis entspricht. Keiner möchte das gegenüber in Gefahr bringen und eine Krankheit weiterverbreiten.
Wenn die Normalität nicht mehr normal ist, entsteht Unsicherheit. Die ständig neuen Schutzkonzepte fordern Anpassung. Nicht mehr sicher sein, was nun gilt und sich innerhalb von kurzen Intervallen an neue Situationen anpassen löst Stress aus. Das ständige Konsultieren von Fallzahlen und Statistiken lähmt und löst Schrecken aus. Das unsichtbare Virus hat unseren Alltag verändert und fest im Griff. Was wir anschauen wird immer grösser und bedeutender. Die Normalität des Alltags wurde zur Herausforderung.
Den Jüngern in unserer Geschichte ging es nicht anders. Die erfahrenen Fischer kannten die Wetterphänomene auf diesem See. Täglich waren sie mit ihren Fischerbooten auf dem Wasser. Plötzlich erleben sie, wie ihr bekanntes Umfeld zur Bedrohung wird. Die Wellen schlugen ins Boot. Wind und Wasser wird zur Überforderung. Wenn das Bekannte plötzlich fremd wird, irritiert dies und löst Angst aus.

Angst

Das Gefühl von Angst ist nicht grundsätzlich schlecht. Angst warnt vor Gefahr. Ich möchte damit die Pandemie nicht kleinreden und die Gefahr bagatellisieren, oder gar zum Widerstand aufrufen. Ich versuche zu verstehen, welche seelischen Folgen die gegenwärtige Situation haben kann.
Angst wird dann zum Thema, wenn sie den Alltag verändert und die Lebensqualität einschränkt. In der gegenwärtigen Entwicklung wird die Angst zum ständigen Begleiter. Das Gefühl «auf der Hut zu sein», verändern das eigene Verhalten. Anhaltender Stress kann Angst auslösen. Die Angst einer tödlichen Krankheit zu erliegen, führt dazu alltägliche Symptome falsch zu interpretieren. Der Unterschied von einer normalen Erkältung zu einer positiven Erkrankung an Covid-19 ist für den Laien nicht mehr selbständig möglich. Eigene Erfahrungen und Körperwahrnehmungen werden in Frage gestellt. Das überfordert die Seele.
Ein Wesensmerkmal der Angst ist, dass sie das Wahrnehmungsspektrum einschränkt. Plötzlich bin ich nur noch auf die Bedrohung fokussiert. Eine Unbeweglichkeit im Denken und Handeln löst das lähmende Gefühl aus. Statt der Angst zu begegnen versuchen wir sie zu vermeiden. Die Angst beginnt das Leben und die Beziehungen zu beherrschen. Die «Angst vor der erneuten Angst» prägen den Alltag negativ. Die Angstvermeidung führt kurzfristig zu einer Entspannung und einem Stressabbau.
Wir vermeiden gegenwärtig als Gesellschaft die Angst vor der Vergänglichkeit. Genau von dieser Angst sind auch die Fischer eingenommen. Den Sturm können sie nicht bändigen. Das Schiff droht zu versinken. Die erfahrenen Fischer wecken Jesus, der schläft und schreien ihm zu: «Meister, macht es dir nichts aus, dass wir umkommen?»
Damit möchte ich die Pandemie nicht bagatellisieren oder die Angst vor dem Sterben klein reden. Sondern vielmehr das formulieren, worüber viele im Verborgenen nachdenken. Sie sind Bedrohung - obwohl sie zu unserem Leben gehören. Die Angst vor der Vergänglichkeit ist die Angst verloren und einsam zu sein. Es ist die «Bedrohung durch ein Zuviel, zu eng, zu heiss, im Gegenüber von fremden Mächten»[1] ausgeliefert zu sein. In der Vergänglichkeit kommt das «Ich» zu einem Punkt, wo es kapitulieren muss. In der Vergänglichkeit sehe ich nur noch das unverrückbare Ende.
Unsere Gesellschaft lässt Abbau, Schwachheit und Vergänglichkeit nicht zu. Wir wollen nur Aufbau, Gewinn, Erfolg und Unsterblichkeit. Bedeutet Vergänglichkeit immer auch Auflösung jeglicher Existenz?
[1] Monika Renz, Hinübergehen, Was beim Sterben geschieht, Kreuz 2011, S.58

Reich Gottes

Stürme sind nicht per se schlecht. Sie haben auch ihre gute Seite und eine hilfreiche Funktion. Sie haben ein «Wozu.» Sie wühlen auf, bringen hervor, was im Dunkeln liegt. Wird dies Stillung des Sturms in ihrem biblischen Kontext gedeutet, wird sie zu einer hoffnungsvollen Antwort für unsere Zeit.
Grundthema des 4. Kapitels im Markusevangelium ist das Reich Gottes. Im Kapitel vier werden gleichnishafte Aussagen gemacht:
Damit das Reich Gottes wachsen kann, braucht es einen guten Nährboten.
Gesät wird es durch Menschen, doch das Gedeihen bewirkt Gott.
Anfangs ist es klein wie ein Senfkorn, doch es wächst zu einem grossen und tragfähigen Lebensraum.
Das Reich Gottes steht für die Gemeinschaft mit Gott und verspricht ein Leben, das nicht von Leid und Schmerzen, nicht von Tod und Abschied geprägt sein soll. Jesus weiss, dass es für uns sehr schwer ist, an das Reich Gottes zu glauben. Er weiss, wie fremdartig seine Botschaft von der Auferstehung in den Ohren klingen muss. Er weiss, dass seine Botschaft Ablehnung und Kopfschütteln auslösen kann. Kurz vor der Geschichte mit dem Sturm spricht Jesus über das kleine Senfkorn, das zu einem grossen Baum wird und Wohnung für viele bietet. Das Wachstum des Senfkornes kann durch nichts aufgehalten werden. «Glücklich sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören!» (Mt 13, 16). Aus etwas ganz Kleinem wird etwas ganz Grosses, ganz von selbst! Hier schafft offenbar eine Kraft, die nicht von uns Menschen ausgeht, und die wir nicht dirigieren. Eine Kraft ausser uns! Wir können nur ihre Zuschauer sein und immer von neuem staunen, was da in der Natur alles, ohne unser Dazutun, vor sich geht. Jesus sagt damit: Das Reich der Himmel, das Reich Gottes wächst mitten im Widerstand dieser Welt, mitten in der Ungerechtigkeit und mitten im Leid. Das Reich Gottes nimmt zu und wir einmal so gross sein, dass die ganze Welt von ihm umfasst wird sein. Darin steckt diese Hoffnung, die Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom geschrieben hat: «Ja, ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch ´unsichtbare` Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch ´gottfeindliche` Kräfte, weder Hohes noch Tiefes, noch sonst irgendetwas in der ganzen Schöpfung uns je von der Liebe Gottes trennen kann, die uns geschenkt ist in Jesus Christus, unserem Herrn» (Röm 8,38–39).

Jesus bewegen

Die Sturmerzählung steht also in direktem Zusammenhang mit dem Gleichnis des Senfkorns.
Die erfahrenen Fischer müssen lernen mitten im Sturm nicht auf ihre eigene Erfahrung zu bauen, sondern Jesus zu wecken.
Mitten im Sturm geschieht das Evangelium. Jesus ist immer nur einen Gebetsruf weit weg. Er lässt sich wecken, er lässt sich rufen. Auch wenn wir ihn manchmal vergessen. Er weicht nicht von unserer Seite.
Dann lesen wir, wie Jesus aufstand, den Wind bedrohte und zu dem Meer und dem Wind sprach: Schweig und verstumme. In diesem Moment geht von Jesus eine Ruhe aus. Als den Jüngern bewusst wird, dass sie Jesus nicht nur mitgenommen haben sondern dass er bei ihnen ist mitten in der Not, da wird ihnen klar: Wo Jesus ist, da ist Stille, da ist Frieden, das ist Leben.
Der Sturm ist nicht die letzte Wirklichkeit! Es gibt ein Leben, das in uns schlummert, einen Glauben an den auferstandenen Jesus Christus.

Fokus behalten

Jesus fragt am Schluss seine Jünger: Habt ihr noch kein Vertrauen? Hinter dieser Frage steckt kein falsches Motiv von Leistung. Vertrauen wächst. Es entsteht, weil ich mit einem Gegenüber Zeit verbringe. Vertrauen wächst, weil die persönliche ebene gestärkt wird. Vertrauen kann nicht gemacht werden. Die Frage von Jesus zielt auf ganz etwas anderes. Worauf blicke ich? Welchen Fokus habe ich in den Stürmen des Lebens?
Wie sollen wir an die Wahrheit und Auferstehung dieser Botschaft von Jesus Christus glauben, wenn unser Herzen von ganz anderen Dingen in Beschlag ge­nommen wird? Wie soll Vertrauen wachsen, wenn unsere Gedanken durch das, was um uns herum geschieht, unsere ganze Aufmerksamkeit raubt und unsere Herzensaugen Jesus Christus aus dem Blickfeld verlieren?
Was ich ansehe, wird gross und bekommt Bedeutung. Im Sturm ist mein Fokus entscheidend. Worauf blickst du in der gegenwärtigen Zeit? Die Fallzahlen, die steigende Angst, oder auf den auferstandenen Jesus Christus? Damit bagatellisiere ich die gegenwärtige Situation nicht, sondern frage, was mich mitten im Sturm leitet.
Wir wollen auf Jesus Christus blicken, dem auch die Gewalten der Natur gehorchen müssen.
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