Die Tempelreinigung

Das Johannesevangelium  •  Sermon  •  Submitted
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Transcript

Einführung

Schildern der Szene

Reglos steht er auf den Stufen und beoachtet das Treiben. Um ihn herum herrscht ein Gewimmel wie auf einem orientalischen Markt. Menschen feilschen miteinander, schimpfen, streiten. Und in all das mischt sich das Gebrüll der Tiere. In Jesu Mine versuchen seine Jünger vergeblich seine Gedanken zu lesen. Lange ruht sein Blick auf dieser Szene im Tempel in Jerusalem. Dann dreht er sich ab, nimmt ein paar Seile, die auf dem Boden liegen und beginnt, diese miteinander zu verknüpfen. Seine Jünger trauen ihren Augen nicht, als sie Jesus mit der Peitsche in der Hand vor sich stehen sehen. Nur einen Blick tauscht er mit ihnen. Und dann wendet er sich dem Markt zu ...
Ich möchte heute mit euch gern die Passage aus dem Leben Jesu betrachten, die landläufig auch unter der Tempelreinigung bekannt ist.

Einordnung in die synoptischen Evangelien

Habt ihr gewusst, dass es zwei Tempelreinigungen in Verbindung mit Jesus gab? Eine fand zu Beginn von Jesu Wirken statt - ziemlich genau im Jahr 28 AD. Die zweite Reinigung vollführte Jesus dann in der Karwoche kurz vor seiner Kreuzigung.
Nun berichten alle 4 Evangelien von der Tempelreinigung. Dabei ist aber zu beachten, dass die drei synoptischen Evangelien (Mt, Mk, Lk) nur von der zweiten Reinigung berichten. Johannes hingegen berichtet nur von der ersten Reinigung, welche wir uns heute anschauen wollen.

Lesen des Bibeltextes

Lasst uns gemeinsam den Text in der Bibel lesen
John 2:13–25 LU
13 Und das Passafest der Juden war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. 14 Und er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften, und die Wechsler, die da saßen. 15 Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern das Geld aus und stieß die Tische um 16 und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: Tragt das weg und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus! 17 Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht : »Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.« 18 Da antworteten nun die Juden und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst? 19 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. 20 Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? 21 Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. 22 Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte. 23 Als er aber in Jerusalem war beim Passafest, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. 24 Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht an; denn er kannte sie alle 25 und bedurfte nicht, dass jemand Zeugnis gäbe vom Menschen; denn er wusste, was im Menschen war.

Auslegung

Innere Betrachtung

Joh 2,14

In dem Tempel war allerhand los. Vorhin habe ich den Vergleich zu einem orientalischen Markt gezogen. Es war dort laut. Unglaublich laut im Tempel. Die Tiere dürften auch ihr Geschäft dort verrichtet haben, so dass das Flair eher an Venedig an einem heißen Sommertag erinnert, wenn die Lagune ausdünstet. Es stinkt, es ist laut und es ist dreckig - genauso stellt man sich einen heiligen Ort vor, an dem der Mensch sich Gott im Gebet nähern können soll. … Natürlich nicht.
Als ich auf einer meiner letzten Reisen auf einem Flughafen unterwegs war, habe ich statt des Restaurants die überkonfessionelle Kapelle zum Gebet aufgesucht. Dort war es sauber und ruhig. Man konnte sich dort wirklich Gott nähern. Warum ca. 98% der Kapellenbesucher Moslems waren, müsste man noch einmal gesondert betrachten. Man kann den Moslems sicher allerhand vorwerfen, aber nicht, dass sie ihren Glauben nicht ernst nehmen. Wobei man natürlich nicht ins Herz des Menschen schauen kann ...

Joh 2,15

Und so versteht man Jesus, dass er nicht auf den nächsten Yom Kippur warten wollte, um den Tempel zu reinigen. Hier musste sofort etwas geschehen. Die Frage ist aber, warum er sich eine Geißel machte, um damit die Menschen vor sich herzutreiben? Hätte er nicht ein Machtwort sprechen können?
Nun weiß man nicht genau, wie die Peitsche aussah, die Jesus gemacht hat. Auf jeden Fall - und das sagt auch der biblische Bericht - hat Jesus einzelne Seile genommen, um die Peitsche zu machen. Die Seile für sich allein sind sehr nützlich. Man kann Dinge befestigen, miteinander verbinden, zusammenhalten. Werden sie aber auf die falsche Weise kombiniert, kommt eine Peitsche bei raus, die statt nützlich zu sein, Schaden zufügt. Und dies ist auch hier beim Tempel der Fall gewesen. Da ist der Verkauf von Opfertieren und das Wechseln von Geld in die Tempelwährung mit dem Tempeldienst vermischt wurden, was in Summe eine schädliche Mischung ergeben hat. Der ursprüngliche Sinn des Tempels, dass man Vergebung seiner Sünden erfährt und Gott Dank darbringt, ist komplett entstellt worden.

Joh 2,18-21

Jesus hat sein Ziel erreicht. Nach dem großen Aufruhr ist es nun deutlich ruhiger im Tempel. Aber nicht alle sind geflohen. Die Juden fordern von Jesus eine Legitimierung für seine Tat. Und diese Legimierung soll er doch bitte schön in Form eines Zeichens erbringen. Es scheint so, dass die Zeichen damals eine Art von Beweis für den göttlichen Auftrag war, in dem man gehandelt hat. Schaut man sich Joh 2,23 und Joh 3,2 an, findet man dies bestätigt. Die Juden lehnen also zunächst Jesu Tat gar nicht ab, fordern aber einen Beweis für seine Autorität.
Interessanterweise steigt Jesus auch darauf ein und nennt ihnen ein Zeichen: Joh 2,19. Dieses Zeichen verstehen die Juden aber gründlich miss. Sie und Jesus reden aneinander vorbei. Dieses Zeichen hat es aber in sich. Jesus redet hier vom Tempel, dem wichtigsten Ort und Gebäude der Juden, dem bedeutensten religiösen Ort. In den Ohren der Juden hat es sich so angehört, als wenn er sagt: Verbrennt die Bibel und in drei Tagen werde ich sie neu schreiben. Wie hätten wir darauf reagiert? Ganz ehrlich?
Was ist Jesu Botschaft mit diesem Zeichen? Um das zu beantworten, müssen wir etwas ausholen. Und ich verspreche euch, jetzt wird es spannend.

Äußere Betrachtung

Bevor Jesus zum Passahfest nach Jerusalem kam, hat er sich ja in Galiläa aufgehalten. Dort hat er gem. Johannesevangelium sein öffentliches Wirken begonnen. Und das wissen wir alle, Jesus ist auf einer Hochzeit geladen, wo der Wein zuende geht und Jesus Abhilfe schafft. Man kann hier wirklich sehr viel aus dem Text herausholen. In einer früheren Predigt habe ich euch schon einmal in die Tiefen von Joh 2:1-12 mitgenommen. Heute kommt es mir aber auf einen ganz speziellen Aspekt an.
In Joh 2,6 werden sechs steinerne Wasserkrüge erwähnt, welche für die rituellen Waschungen der Juden benutzt wurden. Nachdem Jesus in Joh 2,7 sagt: “Füllt sie mit Wasser”, darf man schlussfolgern, dass die Krüge leer sind. Da fragt man sich, warum die Wasserkrüge leer sind?! Sollten diese nicht mit bestem Wasser gefüllt sein?
Diese leeren Wasserkrüge sind ein Symbol für den Zustand der jüdischen Religion zur Zeit Jesu. Sie bestand nur noch aus hohlen Formen ohne jeden Inhalt. Für alles gab es Regeln. Wir haben die in unserer Gemeinde schon zur Genüge gehört.Ich gebe euch nur zwei Beispiele:
der Sabbatweg, welcher auf einem Wassersack sitzend deutlich verlängert werden konnte.
Oder das Waschen der Hände, welches nicht mehr den Zweck der Reinigung hatte, sollte eine kultische Waschung symbolisieren sollte.
Und so bestand die führende Schicht aus einer Vielzahl von Sekten (Pharisäer, Sadduzäer, Essener, .. ) des Judentums, welche diese allgemeinen Regeln auf ihre spezielle Weise auslegten. Die einen strenger als die anderen. Und das einfache Volk hat sich von den Führern blenden lassen. In Summe betrachtet muss man also schlussfolgern , dass das Volk Israel in einem geistigen Vakuum gelebt hat. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass dies pauschal über das ganze Volk gesagt ist. Natürlich gab es auch zur damaligen Zeit Menschen, die aufrichtig nach Gott gefragt haben - siehe die anderen Evangelien. Den Wasserkrügen fehlt das Wasser und der jüdischen Religion das Leben.
Und jetzt spannen wir den Bogen zum zweiten Teil von Joh 2. Das geistige Vakuum, welches im ersten Teil des Kapitels durch die Wasserkrüge symbolisch dargestellt wurde, zeigt sich nun im zweiten Teil durch ein besonders krasses Beispiel. Der Tempel, wohl einer der heiligsten jüdischen Orten, wird von Johannes auserkoren, um den geistigen Verfall des Volkes und Gottes Reaktion darauf darzustellen. Hier im Tempel zeigen sich besonders deutlich die hohlen Formen, die auf der Hochzeit noch durch die leeren Steinkrüge symbolisiert wurden. Hier zeigt sich der Gegensatz zwischen Soll und Ist, Himmel und Erde, Gott und Mensch.

Anwendung

Wie geht es dir, wenn du das so hörst? Fängst du an, dein eigenes Leben zu reflektieren? Ja? Das ist gut. Ihr Lieben, auch wir stehen in der Gefahr, dass unsere religiösen Handlungen zu leeren Formen werden. Nur weil wir im 21.Jh leben und meinen, die Bibel besser zu kennen, sind wir noch lange nicht davor geschützt, nicht genauso gewohnheitsmäßige Handlungen zu entwickeln.
Am Sabbat in den Gottesdienst gehen? Eh klar. Gehört sich so. Aber was mache ich hier? Suche ich Gottes Gegenwart? Lausche ich der Predigt, ob ich darin Gottes Botschaft für mich darin höre? Oder ratsche ich lieber mit Geschwistern, die ich unter der Woche nicht sehe? Ich will den sozialen Aspekt gar nicht verdammen. Aber er darf nicht der Hauptgrund sein, warum ich in die Gemeinde gehe.
Wie schaut es unter der Woche bei uns aus? Als ich noch ein junger Christ war, habe ich den einen oder anderen Prediger gehört, wie er fragte, ob unsere Bibeln eh keinen Staub ansetzen. Ehrlich? Ich konnte die Frage damals nicht verstehen. Na sicher lesen wir jeden Tag unsere Bibel. Mittlerweile bin ich etwas älter, habe etwas mehr Erfahrung und weiß, dass die Frage der Prediger nicht ganz unbegründet ist.
Ihr Lieben, wir stehen in genau der gleichen Gefahr, dass unsere Steinkrüge austrocknen. Dagegen hilft nur, sich immer wieder neu auf Jesus auszurichten.

Auslegung

Das Zeichen

Was hat es nun aber mit dem Tempel auf sich? Warum setzt Jesus den Tempel als Zeichen?
Das Niederreißen des Tempels in Jesu Antwort ist ein Sinnbild für den geistigen Verfall des Volkes. Und was Jesus hier sagt mit: Brecht diesen Tempel ab … verstehe ich nicht als Aufforderung für die Juden, sondern eher als Feststellung Jesu. Jesus beschreibt hier, dass er genau dieses Niederreißen des Tempels bereits beobachtet.
Im ersten Teil von Kapitel 2 hat Jesus dann das Wasser in den Krügen in Wein verwandelt. Dieser Wein steht symbolisch auch für Jesu Blut. Er macht hier deutlich, dass uns nicht unsere Riten reinigen, sondern allein sein Blut ist es, die uns wahrhaftig rein machen wird.
Und genau das gleiche sagt er im zweiten Teil: Ihr brecht den Tempel ab und ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen - durch seinen Tod und seine Auferstehung. Jesus möchte unserer Beziehung zu Gott auf eine neue Grundlage stellen. Und diese Grundlage - in Form seines Opfers - hat Jesus damals für die Menschen gelegt. Wir heute müssen nur einen Schritt nach vorn gehen und Jesus wird auch in unserem Leben das Wasser in Wein verwandeln.

Globale Einordnung

Joh 2 ist mit Sicherheit eines der spannendsten Kapitel der ganzen Bibel und der Auftakt für Jesu öffentliches Wirken. Johannes wagt hier eine kurze aber prägnante Zustandsbeschreibung des geistigen Zustands des Volkes und zeigt aber auch auf, dass Jesu Ziel eine Umwandlung des Menschen ist. Ich hoffe für uns alle, dass wir offen sind für Gottes Korrekturen in unserem Leben und wir uns immer wieder kritisch hinterfragen lassen. Ich wünsche euch von Herzen Gottes Segen.
AMEN.
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